Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das
Leben der Anne Frank. Anhand der Lebensgeschichte der Familie Frank lassen sich
auch zeitgeschichtliche Entwicklungen aufzeigen. So zeigt die Ausstellung
parallel Fotos von Anne und ihrer Umgebung und Bilder von einschneidenden
historischen Ereignissen. Auf diese Art und Weise werden historische
Geschehnisse, politische Entscheidungen und das Verhalten Einzelner gegenüber
diskriminierten Gruppen anhand der Franks greifbarer und konkreter.
Die Ausstellung arbeitet mit fünf Zeitabschnitten, in denen das Leben der Anne Frank geschildert wird. Es werden sowohl Bezüge zur Vergangenheit als auch zur Gegenwart hergestellt, indem auch andere Schicksale porträtiert werden.
Dem Tagebuch der Anne Frank kommt auch wegen
seiner großen Verbreitung in aller Welt verschiedene Bedeutung zu. Für viele
Menschen wurde Anne durch ihr Tagebuch zu einem Symbol jüdischen Leids -
stellvertretend für Millionen Menschen, deren Gesichter und Geschichten
unbekannt geblieben sind. Andere Menschen denken bei Anne Frank an die
Schriftstellerin, die sie nicht werden durfte. Viele Leser sind von ihrer
Geschichte berührt und dies ist der Ausgangspunkt für das Erleben der
Ausstellung..
Die polnische Fassung des Tagebuches der Anne Frank (ZNAK Verlag, Kraków
2001)
"Es ist ein Wunder, dass ich nicht alle Erwartungen aufgegeben habe,
denn sie scheinen absurd und unausführbar. Trotzdem halte ich an ihnen fest,
trotz allem, weil ich noch immer an das innere Gute im Menschen glaube. Es ist
mir nun mal unmöglich, alles auf Basis von Tod, Elend und Verwirrung
aufzubauen. Ich sehe, wie die Welt langsam immer mehr in eine Wüste verwandelt
wird, ich höre den anrollenden Donner immer lauter, der auch uns töten wird, ich
fühle das Leid von Millionen Menschen mit. Und doch, wenn ich zum Himmel
schaue, denke ich, dass sich alles wieder zum Guten wenden wird, dass auch
diese Härte aufhören wird, dass wieder Ruhe und Frieden in die Weltordnung
kommen werden."
(Anne Frank
am 15. Juli 1944)
Anne Frank wird am 12. Juni 1929 geboren. Es ist das Deutschland der Zwanziger Jahre, geprägt von wachsenden Gegensätzen zwischen den politischen Lagern, Massenarbeitslosigkeit und Weltwirtschaftskrise. Die NSDAP tritt mit der Lüge an, Deutschland zu retten, indem Juden, andere Minderheiten und politisch Andersdenkende für die Krise verantwortlich gemacht werden...
Die jüdische Familie Frank ist sich dieser Entwicklung bewusst, doch Anne
verlebt dessen ungeachtet glückliche erste Kinderjahre in Frankfurt am Main.
Den ersten Lebensjahren Anne Franks wird ein Porträt gegenübergestellt: Otto
Treumann, ein deutsch-jüdischer Junge aus Nürnberg, kommentiert den Aufstieg
der Nazis und den wachsenden Nationalismus in Deutschland aus seiner Sicht.
Anne mit ihrer Mutter, Juni 1929
"Mein Vater, der liebste Schatz von einem Vater, den ich je getroffen
habe, heiratete erst mit 36 Jahre meine Mutter, die damals 25 war. Meine
Schwester Margot wurde 1926 in Frankfurt am Main geboren, in Deutschland. Am
12. Juni 1929 folgte ich."
(Anne Frank am 20. Juni 1942)
Margot und Anne mit Nachbarkindern
"Ich fand Anne eines Morgens im Regen auf dem Balkon sitzend, mitten in
einer Pfütze, hochvergnügt. Als ich geschimpft habe, hat sie keine Miene
verzogen. Sie wollte, dass ich ihr eine Geschichte erzählte, gleich hier und
jetzt."
(Kati Stilgenbauer)
1933 beschließt Otto Frank mit seiner Familie Frankfurt zu verlassen und in die Niederlande auszuwandern. In Amsterdam bietet sich die Chance für den Aufbau einer neuen wirtschaftlichen Existenz. Angesichts der Machtübergabe an die Nazis am 30. Januar 1933 ist diese Emigration der Versuch, sich vor weiterer Diskriminierung in Sicherheit zu bringen. Während 1935 im Deutschen Reich die sog. "Nürnberger Rassegesetze" verabschiedet werden und 1938 vor und nach der Pogromnacht die Ausgrenzung der Juden aus der Gesellschaft verschärft wird, wähnt sich die Familie Frank in Amsterdam zunächst sicher. Anne verbringt hier weitere unbeschwerte Kinderjahre, die sie im Tagebuch beschreibt.
Als Zeitzeuge wird Hans Massaquoi vorgestellt. Massaquoi, 1926 als Sohn einer deutschen Mutter und eines liberianischen Vaters geboren, berichtet von der Zeit zwischen 1933 und 1938 in Hamburg und über die Konsequenzen aus der "Rassenlehre" der Nazis. Die Ausgrenzung und mörderische "Säuberung" von ethnischen und anderen Minderheiten war für Massaquoi zum schrecklichen Alltag geworden.
"Die Welt um mich herum brach zusammen. Ich musste mich den
Konsequenzen stellen, und obwohl es mir großen Schmerz bereitete, sah ich ein,
dass Deutschland nicht die Welt war, und verließ das Land für immer. "
(Otto Frank)
Anne mit ihrer Freundin Sanne am Merwedeplein in Amsterdam
"Da wir Juden sind, ging dann mein Vater 1933 in die Niederlande. Er
wurde Direktor der Niederländischen Opekta Gesellschaft zur
Marmeladenherstellung."
(Anne Frank am 20. Juni 1942)
Am 1. September 1939 beginnt mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Doch erst der Einmarsch der deutschen Wehrmacht in die Niederlande im Mai 1940 verändert die Situation für die Familie Frank grundlegend. Eine Flucht, schon vorher schwierig genug, ist jetzt so gut wie unmöglich geworden. Wo immer die Nazis einmarschieren, wird schrittweise die "Rassenpolitik" umgesetzt: Von der systematischen Erfassung und Isolation der Juden bis hin zu Deportationen und planmäßiger Ermordung.
Margot Frank erhält als erste aus der Familie
Frank im Juli 1942 die Aufforderung, sich "für einen eventuellen
Arbeitseinsatz im Ausland" zu melden. Dies nimmt die Familie Frank als
sofortigen Anlass unterzutauchen - und zwar einen Monat früher als ursprünglich
geplant. Als Versteck dient das Hinterhaus im Firmengebäude von Otto Frank.
Das Porträt zu diesem Zeitabschnitt stellt
Miep Gies vor, Otto Franks Sekretärin. Ohne Miep Gies und drei weitere Helfer
wäre es nicht möglich gewesen, im Hinterhaus unterzutauchen. Miep Gies selbst
betont, dass man kein Held gewesen sein musste, um Verfolgten zu helfen.
Familie Frank am Merwedeplein in Amsterdam
"Ab Mai 1940 ging es bergab mit den guten Zeiten: erst der Krieg, dann
die Kapitulation, der Einmarsch der Deutschen, und das Elend für uns Juden
begann."
(Anne Frank am 20. Juni 1942)
Anne in der Montessori-Schule, 1941
"Judengesetz folgte auf Judengesetz, und unsere Freiheit wurde sehr
beschränkt. Juden müssen einen Judenstern tragen; Juden müssen ihre Fahrräder
abgeben; Juden dürfen nicht mit einem Auto fahren, auch nicht mit einem
privaten; Juden dürfen nur von 3-5 Uhr einkaufen; Juden dürfen nur zu einem
jüdischen Frisör, Juden dürfen zwischen 8 Uhr abends und 6 Uhr morgens nicht
auf die Straße; (…)."
(Anne Frank am 20. Juni 1942)
Von 1942 bis 1944 leben acht Menschen - die Familie Frank, das Ehepaar van Pels mit ihrem Sohn Peter und der Zahnarzt Dr. Pfeffer - illegal im Hinterhaus der Prinsengracht 263. In der Ausstellung wird versucht, dem Besucher ein Einblick in Anne Franks Zimmer und dessen Atmosphäre zu geben. Zitate aus dem Tagebuch erinnern an die Erlebnisse der Untertaucher. In ihrem Tagebuch verändert Anne ihre Namen: Familie van Pels nennt sie "van Daan" und Dr. Pfeffer wird zur „Dr. Dussel“.
Im August 1944 wird das Versteck verraten, alle Untertaucher werden sofort
verhaftet und später ins Durchgangslager Westerbork und von dort ins KZ
Auschwitz deportiert. Bis auf Otto Frank kommen alle Bewohner des Hinterhauses
in der Prinsengracht in verschiedenen Konzentrationslagern um; Anne und Margot
Frank sterben in Bergen-Belsen an Typhus.
Mehrere Zeitzeugen ergänzen die Erfahrungen der Familie Frank. Dazu gehören
Berichte über die Ermordung von Juden gleich welchen Alters und welcher
Herkunft, über die faktische Unmöglichkeit, den Deportationen zu entgehen und
über das Schicksal von Sinti und Roma. In den Erinnerungen wird auch
beschrieben, was die Befreier sahen, als sie im Jahr 1945 die Lagertore der KZs
öffneten.
Höchstwahrscheinlich ist dies das letzte Foto von Anne und Margot
"Sonntagmorgen lagen Hello und ich in der Sonne auf unserem Balkon,
Sonntagnachmittag sollte er zurückkommen, aber um ungefähr 3 Uhr kam ein
Polizist zu Mutter, der rief unten in der Tür, Frl. Margot Frank, Mutter ging
hinunter und erhielt von dem Polizisten eine Karte, auf der stand, dass Margot
Frank sich bei der S.S. melden müsste."
(Anne Frank am 8. Juli 1942)
Das Gebäude an der Prinsengracht 263, in dessen Hinterhaus sich Anne mit
ihrer Familie und Freunden versteckt hielt.
"Das Hinterhaus ist ein ideales Versteck. Obwohl es feucht und ein bißchen
schief ist, wird man wohl in ganz Amsterdam, ja vielleicht in ganz Holland,
kein so bequem eingerichtetes Versteck finden."
(Anne Frank am 11. Juli 1942)
Das Zimmer von Anne Frank und Fritz Pfeffer
"Ich fühle mich schlecht, weil ich in einem warmen Bett liege, während
meine liebsten Freundinnen irgendwo draußen niedergeworfen werden oder
zusammenbrechen. Ich bekomme selbst Angst, wenn ich an alle denke, mit denen
ich mich draußen immer so eng verbunden fühlte und die nun in den Händen der
brutalsten Henker ausgeliefert sind, die es jemals gegeben hat. Und das alles,
weil sie Juden sind."
(Anne Frank am 19. November 1942)
Die Westerkirche - Sicht aus dem Dachbodenfenster des Hinterhauses
"Es beklemmt mich mehr, als ich sagen kann, dass wir niemals hinaus
dürfen, und ich habe große Angst, dass wir entdeckt und dann erschossen
werden."
(Anne Frank am 28. September 1942)
Miep Gies, die Annes Tagebuch im Hinterhaus fand, übergibt es Otto Frank, als definitiv feststeht, dass Anne tot ist. Der Vater ringt sich nach anfänglichem Zögern dazu durch, ihr Tagebuch als ein Dokument der Erinnerung zu veröffentlichen. Erinnerung an den Mord von sechs Millionen Juden, zwei Drittel aller europäischen Juden. Seit dem Erscheinen der ersten Auflage assoziieren viele Menschen die Geschichte der Judenverfolgung mit Anne Franks Tagebuch.
1948 wird von fast allen Ländern der Erde die Internationale Erklärung der Menschenrechte verabschiedet. Bis heute herrscht jedoch in vielen Ländern der Erde Nationalismus, Diskriminierung und Gewalt gegen Minderheiten vor. Menschenverachtende Haltungen und Intoleranz werden nach wie vor von politischen Gruppen erfolgreich propagiert. Daher muss die Fähigkeit zum respektvollen Umgang miteinander und zur Demokratie von uns allen lebenslang gelernt werden. Dazu will das Ausstellungsprojekt "Anne Frank - eine Geschichte für heute" beitragen.
Die Ausstellung weist darauf hin, dass jeder Staat und auch jeder Mensch die Verantwortung zum Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung und zur Akzeptanz, dass jeder Mensch würdevoll zu behandeln ist in sich trägt.
Die Porträts und Zitate der Besucher, die das Anne Frank Haus (heute ein Museum) besucht haben, schließen die Ausstellung ab.
Wir möchten jedem einzelnen Besucher zeigen, wie andere auf Anne Franks Geschichte reagiert haben und wie sie sich mit der Geschichte auseinandergesetzt haben. Außerdem wollen wir auch vermitteln, welche Bedeutung die Besichtigung des Anne Franks Hauses für die Zitierten hatte
.
Anne Franks Tagebuch
"Nach dem Krieg will ich auf jeden Fall ein Buch mit dem Titel DAS
HINTERHAUS herausgeben. Ob mir das gelingt, ist auch die Frage, aber mein
Tagebuch wird mir als Grundlage dienen können."
(Anne Frank am 11. Mai 1944)
Otto Frank überlebt als einziger das Konzentrationslager. 1952 heiratet er
zum zweiten Mal und zieht nach Basel in der Schweiz. Er stirbt 1980 im Alter von
91 Jahren.
"Ich habe viele tausend Briefe bekommen. Vor allem Jugendliche wollen
immer wieder wissen, wie es je zu diesen schrecklichen Ereignissen hatte kommen
können. Ich antworte ihnen so gut ich kann. Und am Ende schreibe ich oft: Ich
hoffe, dass Annes Buch auf Dein Leben einwirken wird, damit Du, soweit es Dir
in Deiner Umgebung möglich ist, für Verständigung und Frieden arbeiten
kannst."
(Otto Frank)