Tafel 4
Autonomie der Juden in der polnisch-litauischen Adelsrepublik (16.-18. Jahrhundert)


Titelseite der Gesetzessammlung (Kodex) des Josef Karo "Schulchan Aruch" (Gedeckter Tisch) mit Ergänzungen von Moses Isserles, Krakau 1594. Der Kodex von Josef Karo (1488-1575), einem spanischen Rabbiner aus Galiläa, beschreibt das Recht und die rituellen Vor-schriften der sephardischen Juden, die im südwestlichen Teil Europas leben. Diese für das ganze Judentum geltende Gesetzessammlung wird von dem Gelehrten und Gründer der Krakauer Jeschiwa, Moses Isserles (ca. 1520-72), den Sitten der aschkenasischen Juden angepaßt.

Seite 36 des Organisationsstatuts des Krakauer Kahals von 1595. Das Statut regelt die Tätigkeit der Gemeinde, vom inneren Aufbau der Gemeinde bis hin zum Privatleben ihrer Mitglieder. Dieses Statut dient fast allen späteren Gemeindestatuten in Polen und Litauen als Vorbild.

Privileg für die Juden der der Familie Sobieski gehörenden Stadt Żółkiew (nördlich von Lemberg), 1687. In den privaten Städten wird die rechtliche Stellung der Juden durch Privilegien der Stadteigentümer geregelt. Diese Rechte bieten den Juden häufig Vorteile. In den königlichen Städten versuchen die Stadtbehörden dagegen, ihre wirtschaftliche Tätigkeit einzuschränken. In den kirchlichen Städten werden Juden nur ausnahmsweise geduldet.

Ein die Juden betreffender Beschluß des polnischen Reichstages von 1565. Der Reichstag hat wesentlichen Einfluß auf die Lage der Juden in Polen. Er erläßt zahlreiche Gesetze, die ihre wirtschaftliche Tätigkeit regeln.

Rabbinatsgericht in Wilna. Rechtsstreitigkeiten zwischen Juden werden in der polnisch-litauischen Adelsrepublik vor den Rabbinatsgerichten geführt. Für sie ist das jüdische Recht, ebenso wie der Eid auf die Tora, verpflichtend. Berufungsinstanzen sind die Gerichte des zuständigen Wojewoden oder des Eigentümers der jeweiligen Stadt.

Detail der farbenprächtigen Bemalung der hölzernen Synagoge in Chodorów (südlich von Lemberg), 17. Jahrhundert. In Polen-Litauen gibt es zahlreiche hölzerne und kunstvoll verzierte Gebetshäuser. Weniger wohlhabende Gemeinden können sich meist keine gemauerten Gebäude leisten.

Wehrsynagoge in Żółkiew (nördlich von Lemberg), 17. Jahrhundert. An mehreren Orten in Ostpolen werden Wehrsynagogen gebaut. Sie sind in der Zeit der Tataren- und Kosakenüberfälle ein wichtiges Verteidigungselement. Sie bieten auch Zuflucht bei Bränden und Unruhen in den südöstlichen Gebieten der Adelsrepublik.

Jüdische Kinder auf dem Weg in den Cheder (jüdische Schule). Nur Jungen besuchen die jüdischen Schulen. Der Unterricht dauert den ganzen Tag. Mädchen werden zu Hause unterrichtet.

Der schnelle Anstieg der Zahl der jüdischen Bevölkerung veranlaßt die polnischen Herrscher, die rechtliche Stellung der Juden zu regeln. Im Laufe der Zeit werden verschiedene königliche Privilegien erlassen und rechtlich-religiöse Einschränkungen eingeführt, die von den Reichstagen (Sejms) der Adelsrepublik und den Kirchensynoden beschlossen werden. Nun entstehen innerhalb der Städte eigene jüdische Stadtteile. Sie werden nach eigenem Recht gemäß den von den Rabbinern und den Gemeindeverwaltungen (Kahal) festgelegten Regeln verwaltet. Um die Steuereintreibung zu verbessern, gründet König Stefan Batory im Jahre 1580 die sogenannte Vierländersynode. Diese Einrichtung ist hinsichtlich ihres Wirkungskreises und ihrer Dauerhaftigkeit im damaligen Europa einzigartig. Sie erfüllt als oberstes Organ der jüdischen Selbstverwaltung nicht nur eine steuerliche, sondern auch eine gerichtliche, gesetzgebende und meinungsbildende Funktion.

Die relativ guten Lebensbedingungen führen zu einer weiteren Zunahme der jüdischen Bevölkerung. Mitte des 17. Jahrhunderts leben in der polnisch-litauischen Adelsrepublik rund 300.000 Juden.

Litauischer Jude mit Frau und Tochter, 18. Jahrhundert. Anfangs unterscheiden sich die Juden in ihrer Kleidung nicht von der übrigen Bevölkerung. Erst im Laufe der Zeit entwickelt sich die charakteristische Kleidung der polnischen Juden mit dem schwarzen Mantel oder Kaftan.





     
A & K Woźniak