Tafel 17
Verrat und Kampf


Mordechaj Anielewicz (1919-43), Kommandant der Jüdischen Kampforganisation (ŻOB), Führer des Austandes im Warschauer Ghetto.

Jan Kozielewski-Karski (geb. 1914), Historiker, Kurier des polnischen Untergrundes; er bringt Berichte über die Judenvernichtung in den polnischen Gebieten nach Paris und London.

Jüdische Aufständische, die nach dem Verlassen ihrer Verstecke gefaßt werden, Mai 1943. Die Kämpfer werden an Ort und Stelle erschossen, andere Juden werden zum Umschlagplatz getrieben und von dort aus in die Vernichtungs- bzw. Arbeitslager gebracht.

Der Aufruf "Protest" von Zofia Kossak-Szczucka, der im August 1942 verteilt wird. Mit ihm beginnt die Geschichte des Hilfsrates (anfangs Komitee) für Juden "Żegota", der im Rahmen der Untergrundvertretung der polnischen Exilregierung (Delegatur) tätig ist.

Übersetzung:
Die Welt schaut auf dieses Verbrechen, das schrecklicher ist als alles, was die Geschichte kennt, und schweigt. Das Blutbad an Millionen wehrloser Menschen geschieht in einer allgemeinen, furchterregenden Stille. England und Amerika schweigt, sogar das einflußreiche internationale Judentum schweigt [...]. Auch die Polen schweigen. Die politischen Freunde der Juden unter den Polen beschränken sich auf journalistische Notizen, die Gegner der Juden unter den Polen zeigen ihr Desinteresse. Alle Leute, die die sterbenden Juden umgeben, waschen sich die Hände wie Pilatus. Man darf dieses Schweigen nicht länger dulden. Aus welchen Gründen auch immer geschwiegen wird, es ist niederträchtig. Angesichts dieses Verbrechens darf man sich nicht passiv verhalten. Wer angesichts dieses Mordes schweigt - wird zu einem Mittäter. Wer den Mord nicht verurteilt, der billigt ihn. Wir, polnische Katholiken, ergreifen daher das Wort. Unsere Gefühle den Juden gegenüber bleiben unverändert. [...] Dies befreit uns jedoch nicht von der Pflicht, das Verbrechen zu verurteilen. Wir wollen kein Pilatus sein. Wir sind nicht imstande, uns aktiv den deutschen Morden entgegenzusetzen. Wir sind ratlos. Wir können keinen retten, wir protestieren jedoch aus der Tiefe unserer Herzen, ergriffen von Mitleid, Empörung und Grauen. [...] Wer diesen Protest nicht unterstützt, ist kein Katholik.

Zofia Kossak-Szczucka (1890-1968), Schriftstellerin, national-katholische Aktivistin der Żegota, Verfasserin des Aufrufes "Protest", dann Häftling des gefürchteten Warschauer Gefängnisses Pawiak und des KL Auschwitz.

Szmul Zygielbojm (1895-1943), Aktivist des Bundes, Warschauer Stadtrat, Mitglied des Exil-Nationalrates der Republik Polen. Er verübt in London Selbstmord, indem er den Gashahn seines Küchenherdes öffnet, um auf diese Weise symbolträchtig das Schicksal der Juden zu teilen und um gegen die Gleichgültigkeit der Welt gegenüber dem Holocaust zu protestieren.

Eine der letzten Kolonnen der "ausgesiedelten" Juden verläßt das brennende Warschauer Ghetto, Mai 1943. SS- und Polizeiführer Jürgen Stroop meldet nun: "Das ehemalige Judenviertel existiert nicht mehr (...) Die Gesamtzahl der gefaßten Juden und derjenigen Juden, deren Tod sich feststellen ließ, beträgt 56.065."

Jüdische Partisanengruppe im Lubliner Gebiet, 1943. Juden kämpfen ebenfalls in polnischen Untergrundorganisationen sowie in auf polnischem Gebiet operierenden sowjetischen Gruppen.

Informationsbulletins des Oberkommandos der Armia Krajowa (Polnische Untergrundarmee, genannt "Heimatarmee") aus dem Jahre 1943 mit einer Warnung an diejenigen Polen, die versteckte Juden erpressen und mit einer Liste der durch Untergrundgerichte zum Tode verurteilten Polen, die Juden verraten haben.

Übersetzung:
Erpresser und deren Bekämpfung
Die Leitung des Zivilen Kampfes gibt bekannt: Die polnische Gesellschaft, obwohl sie selbst Opfer des Terrors ist, betrachtet mit Grauen und Mitleid den durch die Deutschen verübten Mord an den restlichen noch lebenden Juden in Polen. Die Proteste der polnischen Gesellschaft erreichten die ganze freie Welt. Die Polen haben den Zuflucht suchenden Juden aus den Ghettos so oft Hilfe geleistet, daß die Besatzer angeordnet haben, jeden Polen mit dem Tod zu bestrafen, der versteckte Juden unterstützt. Trotzdem finden sich gewissenlose und ehrlose Individuen aus der Unterwelt, die aus der Erpressung der Polen, die Juden verstecken, und der Erpressung der Juden eine neue verbrecherische Einkommensquelle gemacht haben. Die Leitung des Zivilen Kampfes warnt, daß die Fälle solcher Erpressung registriert und daß die Täter - wenn möglich - sofort oder später bestraft werden.

Die Leitung des Zivilen Kampfes gibt bekannt, daß die Sondergerichte der Zivilen Bezirke Warschau und Krakau folgende Personen wegen der Zusammenarbeit mit der deutschen Polizei zum Tod und zum Verlust der Bürger- und Ehrenrechte verurteilt haben: Tadeusz Stefan K., wohnhaft in Warschau (Er lieferte den Deutschen Juden polnischer Staatsbürgerschaft aus); Franciszek S., wohnhaft in Podkowa Leśna (wegen Denunziation und Erpressung); Antoni P., wohnhaft in Dobranowice bei Wieliczka (Er lieferte Untergrundaktivisten und Personen, die Juden versteckten, aus); Antoni S., Vikar in Luborzyca, Kreis Miechów (Er verhalf zur Verhaftung und verursachte dadurch die Erschießung von 23 Polen durch die Gestapo). Alle Urteile wurden durch Erschießung vollstreckt.

Eine wegen Hilfe für Juden zum Tode verurteilte polnische Familie. Gemäß der Verordnung des Generalgouverneurs Hans Frank vom 15. Oktober 1941 werden alle Juden, die außerhalb des Ghettos gefaßt werden, zum Tode verurteilt. Dasselbe gilt für alle Personen, die dabei entdeckt werden, ihnen Hilfe zu leisten.

Trotz der alarmierenden Berichte über die drohende völlige Vernichtung der Juden auf den polnischen Gebieten unternehmen die Regierungen der freien Welt keinerlei militärische Aktionen, die dem Holocaust hätten Einhalt gebieten können. Die Juden bleiben allein gelassen, ohne Hoffnung auf Hilfe der Alliierten. In den Ghettos schwinden die Überlebenschancen. Außerhalb des Ghettos werden Juden auf Grundlage des deutschen Besatzungsrechts gejagt und "liquidiert". Es sind Fälle bekannt, in denen Polen Zuflucht suchende Juden erpressen, sie sogar auch an die Deutschen verraten oder sie ermorden. Zu gleicher Zeit retten andere Polen - trotz der drohenden Todesstrafe - Juden. Die große in Angst lebende Mehrheit der polnischen Gesellschaft verhält sich passiv. Nur wenige Juden bereiten sich auf einen bewaffneten Kampf vor. Der Kampf an sich ist so gut wie aussichtslos. Die schwach bewaffneten Mitglieder des ŻOB (Żydowska Organizacja Bojowa / Jüdische Kampforganisation) nehmen den Kampf gegen die Deutschen in Warschau und Białystok in dem Augenblick auf, als sie in die Ghettos einmarschieren, um sie zu liquidieren. Auch in den Vernichtungsstätten Sobibór und Treblinka versuchen Juden Widerstand zu leisten. Weder die polnischen Untergrundkämpfer noch die Mitglieder des konspirativen Hilfsrates für Juden (Deckname "Żegota") können sie bei diesem Kampf ausreichend unterstützen. Der Aufstand im Warschauer Ghetto wird zum Symbol des heldenhaften Kampfes der zur Vernichtung verurteilten jüdischen Nation.

Brennendes Ghetto in Warschau während des Aufstandes, Mai 1943. Die Deutschen marschieren in das Ghetto ein und setzen es Haus für Haus in Brand. SS-Einheiten werfen Granaten und Rauchkerzen in die Häuser, um die sich darin versteckenden Personen herauszutreiben.





     
A & K Woźniak