Tafel 8
Emanzipation und Teilnahme der Juden an den Kämpfen um die Unabhängigkeit Polens


Der Erlaß des Zaren Alexander II. vom 5. Juli 1862 hebt die Sondersteuern für Juden sowie die Einschränkungen und Verbote hinsichtlich ihres Wohnrechtes in Städten und Dörfern auf. Er garantiert ihnen die gleichen Rechte wie den Christen, gibt ihnen das Recht, Ländereien zu erwerben und ihren Beruf frei zu wählen.

Aufruf der "Nationalregierung an die israelitischen Brüder", herausgegeben von den Revolutionsbehörden der Nationalregierung der Stadt Krakau vom 23. Februar 1846. Dies ist das erste Dokument in Polen, das im Verlauf der Revolution die Standesgrenzen aufhebt, die die Juden von der übrigen Bevölkerung trennten.

"Tod des Legionärs Bronisław Mansperl in der Schlacht bei Kukle in Wolhynien im Jahre 1915". Der jüdische Oberleutnant der 1. Brigade der Piłsudski-Legionen, Träger des Virtuti Militari-Ordens (höchste polnische militärische Auszeichnung), symbolisiert die Haltung der polnischen Juden im entscheidenden Kampf um die Unabhängigkeit Polens.

Henryk Wohl (1836-1907), Anhänger der Assimilation, Teilnehmer der Unabhängigkeitsbewegung, Finanzdirektor in der aufständischen Nationalregierung. Wegen der Teilnahme am Januaraufstand 1861 wird er bis 1882 nach Sibirien verbannt.

"Jüdische Bürgerwehr, 1831". Während des Novemberaufstandes 1831 dienen Juden in paramilitärischen Einheiten. Die mehr assimilierten Juden dienen in der polnischen Armee; die weniger assimilierten, die ihre Bärte nicht abschneiden möchten, in der Stadtgarde und die armen Juden in der Bürgerwehr.

Kundgebung anläßlich des Begräbnisses der Opfer des Pogroms in Wilna, 1905. Gemeinsamer Protest der polnischen, russischen und jüdischen Sozialdemokraten.

Die Vertreter der jüdischen Einwohner Dęblins (südöstlich von Warschau) begrüßen den Oberbefehlshaber Marschall Józef Piłsudski nach der Befreiung der Stadt von den Bolschewiken im Jahre 1920 nach polnischer Tradition mit Salz und Brot. Auch im Verlauf des polnisch-russischen Krieges in den Jahren 1919 und 1920 kämpfen und sterben in den Reihen des polnischen Militärs jüdische Offiziere und Soldaten.

Weihung der Fahne des Jüdischen Verbandes der Teilnehmer am Kampf um die Unabhängigkeit Polens, Przemyśl, 2. September 1934.

Oberst Berek Joselewicz (1764-1809). Joselewicz nimmt als Organisator einer jüdischen Einheit am Kościuszko-Aufstand von 1794 teil. Später ist er Offizier in den polnischen Legionen im Dienst Napoleons. Er fällt in der Schlacht gegen Österreich bei Kock (südöstlich von Warschau).

Zwischen 1772 und 1795 nutzen die Nachbarmächte Preußen, Rußland und Österreich die Schwäche der polnischen Adelsrepublik, um ihr Gebiet schrittweise unter sich aufzuteilen. Polen verschwindet für mehr als hundert Jahre von der europäischen Landkarte. Die rechtliche Lage der rund eine Million Juden verschlechtert sich infolge der Teilungen Polens. Darüber hinaus müssen sie höhere Steuern als andere Bevölkerungsgruppen zahlen. Erst seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird auf Veranlassung der Regierungen der Teilungsmächte die rechtliche Benachteiligung der jüdischen Bevölkerung schrittweise aufgehoben. Dies begünstigt die Emanzipation eines Teils der jüdischen Bevölkerung, für den Mobilität und Offenheit gegenüber den neuen politischen und geistigen Strömungen charakteristisch ist. Im Verlaufe dieses Prozesses verlassen diese Juden ihre angestammten Stadtbezirke und lassen sich auch in anderen Stadtteilen nieder.

Mit dem Fortschreiten der Assimilation nehmen Juden auch verstärkt am Kampf um die Unabhängigkeit Polens teil. Sie teilen das bittere Schicksal ihrer Kampfgefährten - sie fallen in den Schlachten oder werden Repressalien ausgesetzt und nach Sibirien verbannt.

"Begräbnis von fünf Opfern der Warschauer Kundgebung im Jahre 1861". Neben dem katholischen Erzbischof Feliński und den evangelischen Geistlichen steht Rabbi Dow Baruch Meisels, der wichtigste Befürworter einer jüdischen Beteiligung am polnischen Freiheitskampf. Die Teilnahme von Juden an patriotischen Kundgebungen (1860-62) trägt zu einer positiven Einstellung der polnischen Bevölkerung gegenüber den Juden bei.





     
A & K Woźniak